Bedürfnisorientiert Abstillen wird einerseits belächelt, andererseits an kaum erreichbare Bedingungen geknüpft, für die das Wort „bedürfnisorientiert nie stehen sollte.
„Abstillen? Du brauchst halt Klarheit und dann ziehst du es durch.“
„Dein Kind stillt sich irgendwann von allein ab – einfach abwarten.“
Diese und andere Sätze höre Stillende, die sich an mich wenden ständig. Und ich verstehe, warum sie sich so hartnäckig halten.
Denn die Idee ist ja schön: Einfach einmal klar sagen, dass Stillen jetzt vorbei ist und zack, dein Kind schläft nachts durch, braucht tagsüber keine Brust mehr, alles läuft harmonisch ab, weil du genug Klarheit hattest.

Oder auch die Idee, dass sich jedes Kind einfach abstillt, wenn es so weit ist. Prinzipiell ein tolles Konzept, wenn es für beide stimmig ist – aber es kann halt auch noch Jahre dauern. Es ist manchmal eine richtiggehend romantische Vorstellung, halt einfach so lange zu stillen, wie das Kind es möchte.
Die Realität sieht oft anders aus.
Irgendwann wächst die Ungeduld.
- Doch mal wieder ein Wochenende auf Fortbildung gehen.
- Regelmäßige Termine wahrnehmen, ohne neben der Orga auch noch das Stillen mitdenken zu müssen.
- Einfach den eigenen Körper wieder für sich selber haben und darüber bestimmen können.
Deshalb ist es doch toll! Es gibt ja auch…
Sanfte Abstillmethoden sind nicht automatisch bedürfnisorientiert
Ich bekomme regelmäßig Nachrichten von Mamas, die mit den besten Absichten eine dieser „sanften Methoden“ ausprobiert haben – und dann nach drei, vier, fünf Nächten mit einem völlig aufgelösten Kind dastehen. Das Kind weint, klammert sich an die Brust, nichts hilft. Und sie fühlen sich hilflos, weil sie doch „alles richtig“ gemacht haben.
Alle haben Stress. Niemandem geht es dabei gut.
Also ist der Rückschluss: Es geht nur mit Durchgreifen oder Laufenlassen.
Es folgen Selbstvorwürfe, als Mama gerade zu versagen. Die Frage, ob man dem eigenen Kind jetzt unwiederbringlich geschadet hat. Das Urteil „Ich bin einfach nicht konsequent genug.“ und die Überzeugung das Abstillen doch nur halbherzig versucht zu haben.
Das Problem ist nicht, dass du nicht konsequent genug bist.
Das tatsächliche Problem ist, dass diese Methoden am eigentlichen Kern vorbeigehen. Sie versprechen eine „sanfte“ Lösung – aber übersehen, was Stillen für dein Kind wirklich bedeutet und welche Bedürfnisse es im Einzelfall erfüllt.
Denn das ist bei jedem Kind anders.
Warum klassische Abstillmethoden oft nicht funktionieren
Hier sind ein paar Dinge, die bei vielen Methoden übersehen werden – und warum das für dich und dein Kind ein echtes Problem werden kann:
- Sie setzen voraus, dass dein Kind sich nach einem festen Plan richtet.
Viele Methoden arbeiten mit festen Abläufen: Erst nachts stillen reduzieren, dann tagsüber, dann nur noch für X Minuten. Klingt logisch – aber dein Kind hat dieses Handbuch nicht gelesen. Es lebt nicht nach Plänen, sondern nach seinen Bedürfnissen. - Sie ignorieren, dass Stillen viele Bedürfnisse erfüllt.
Abstillen bedeutet nicht nur „keine Saugen an der Brust mehr“. Es bedeutet, eine Regulationsvariante weniger, eine Einschlafhilfe weniger, eine Nahrungs-/Flüssigkeitsaufnahme weniger. Und wenn das nicht berücksichtigt wird, gerät dein Kind in eine emotionale oder körperliche Not. - Sie setzen Trost mit Bedürfniserfüllung gleich.
Viele Methoden arbeiten mit „Trost als Ersatz“. Aber wenn dein Kind Hunger hat, hilft ihm Nähe nicht. Wenn es überreizt ist, reicht es nicht, ihm gut zuzureden. Nur weil dein Kind getröstet wird, heißt das nicht, dass sein ursprüngliches Bedürfnis verschwunden ist. - Sie machen den Prozess oft unnötig anstrengend – für alle.
Viele Mamas geben nach ein paar Tagen wieder auf, weil die Nächte schlimmer werden, das Kind nur noch anhänglich ist und der Frust wächst. Und dann? Dann fühlt sich das Ganze wie ein riesiger Fehlschlag an.
Doch zum einen muss es gar nicht mit einem Fehlschlag beginnen. Und zum Anderen, selbst wenn die Methode nicht gepasst hat, heißt das nicht, dass ihr nicht bereit wart!
Ihr habt einfach entschieden, dass es nicht die Variante war, die zu euch passt.
Und das ist kein Rückschritt, sondern das ist klug!
Es soll ja nicht darum gehen, die wertvolle Beziehung mit unseren Kindern zu kappen – es geht viel mehr um die Veränderung hin zu mehr Zeit ohne Stillen.

Wie Abstillen wirklich funktioniert – ohne Kampf und ohne etwas wegzunehmen
In meiner Arbeit stehen deshalb nicht konkrete Abstillmethoden im Vordergrund. Keine starren Regeln. Sondern so, dass du und dein Kind auf diesem Weg gemeinsam vorankommt – ohne dass ihr euch in Frust und Panik verliert.
Wir starten mit diesen Fragen:
- Was bedeutet Stillen gerade für dein Kind?
Ist es Hunger? Geht es um Sicherheit? Um die Begleitung sensibler Übergänge? - Welche deiner eigenen Bedürfnisse werden gerade nicht erfüllt?
Fehlt dir Schlaf? Raum für dich? Hast du das Gefühl, ständig auf Abruf zu sein? - Welche Alternativen gibt es – und welche nimmt dein Kind sie schon an?
Hat dein Kind gelernt, mit anderen Wegen einzuschlafen? Kann es schon Pausen akzeptieren?
Und vor allem:
Wo ist der Punkt, an dem es für dich jetzt gerade leichter werden darf?

Denn genau hier setzen wir an.
Bedürfnisorientiertes Abstillen in der Praxis
Vor ein paar Wochen hatte ich eine Mama in der Begleitung, die abstillen wollte. Auf eigene Faust war sie nicht weitergekommen.
In der Zusammenarbeit kristallisierte sich schnell heraus, dass sie insbesondere beim Aufwachstillen nach dem Mittagsschlaf eine Veränderung dieses Übergangs initiieren wollte.
Doch: Es klappte nicht.
Das Stillkind weinte und konnte nicht auf das Stillen verzichten.
Da wir, beim bedürfnisorientierten Abstillen, immer zuerst fragen „Was ist in DIESER Stillsituation das Bedürfnis oder die Bedürfnisse die erfüllt werden“ und wir in diesem Fall diese Frage nicht eindeutig beantworten konnten, nutzen wir eine Situationsveränderungs-Technik, die sich manchmal anbietet.
Unter Beachtung einiger angepasster Aspekte richtete die Stillmama eine gemütliche Ecke als Stillort ein, in der auch Snacks, Getränke und Lieblingsbücher bereitstanden.
Beim Aufwachen nach dem Mittagsschlaf begann sie, je nach Tagesform ihres Stillkindes, gingen sie entweder direkt zum neuen Stillort oder begannen noch am Bett mit dem Stillen und transferierten stillend.
Innerhalb weniger Tage wurde das Stillen weniger, weil nun die Option bestand, die vorhandenen Bedürfnisse (in diesem Fall eine Mischung aus Begleitung bei Übergangssensibilität, Hunger, Durst, Nähebedürfnis) anders zu erfüllen.
Ganz ohne einen Konflikt vom Zaun zu brechen!
Das Ergebnis?
Keine Kämpfe. Keine Panik. Kein Aufwachen voller Verzweiflung.

Stattdessen: Ein Kind, das langsam eine Veränderung annehmen konnte, weil es nicht ins Leere gefallen ist.
Bedürfnisorientiertes Abstillen ist keine Methode – es ist ein Prozess
Es gibt keinen perfekten Plan, keine „beste“ Methode.
Aber es gibt einen Weg, der für euch passt.
Und der beginnt damit, dass du dich nicht von starren Konzepten unter Druck setzen lässt.
Wenn du Lust hast, erzähl mir in den Kommentaren:
Wo stehst du gerade beim Stillen? Welche Gedanken beschäftigen dich? Hast du schon Abstillversuche gemacht?
Ich freue mich auf deine Geschichte, Erfahrungen und Überlegungen.