Wird dir immer wieder zum Vorwurf gemacht, dass du dein Baby durch das Stillen zu stark an dich bindest? Hast du Angst dass die Bindung mit deinem Baby durch das Stillen zu stark wird?
Dass Stillen den Bindungsaufbau zwischen deinem Baby und dir unterstützt ist schon länger bekannt. Die dabei ausgeschütteten Hormone machen dich bereit, auf dein Kind einzugehen.
Und genau hier liegt der Schlüssel.
Denn Stillen ist keine Garantie für eine gute Bindung!
Warum binden sich Babys überhaupt an Erwachsene?
Eine vertrauensvolle Bindung baut ein Baby nach der Geburt zu den Personen auf, die es kontinuierlich gut versorgen. So sichert dein Baby sein eigenes Überleben.
Es ist dabei ausgestattet mit vielen kleinen, süßen Eigenschaften, die es uns – den Versorgern – leichter machen sollen, auf die starken Bedürfnisse der Kleinsten einzugehen.
Dazu gehört zum Beispiel das Kindchenschema im Gesicht. Das Engelslächeln. Die glucksenden Geräusche…
Wann entsteht Bindung mit einem Baby?
Zum einen entsteht bereits während der Zeit im Bauch eine gewisse Form der Bindung.
Babys merken ganz genau, wenn sie nach der Geburt von ihrer Mama getrennt werden. Sie reagieren ganz unterschiedlich darauf. Wie zum Beispiel bei einem Kaiserschnitt in Vollnarkose oder bei einer Trennung für eine Untersuchung.
Solche Trennungen können das Vertrauen erst einmal erschüttern. Sie können auch den Stillbeginn erschweren.
Ja, auch wenn der Papa da war!
Das geht manchmal so weit, dass wir in der gemeinsamen Arbeit das Re-Bonding mit Hilfe des Babyheilbades nutzen. So können wir an das vertrauensvolle Miteinander, das in der Schwangerschaft entstanden war, wieder anknüpfen.
Im ersten Lebensjahr wird die Bindung dann weiter aufgebaut und vertieft.
Die Qualität der Bindung zu den einzelnen Personen hängt von vielem ab.
- Häufigkeit und Intensität der gemeinsamen Zeit
- Qualität der Reaktionen auf die vom Baby geäußerten Bedürfnisse
- Nähe & Zuwendung
Bindung passiert, wächst und wird im Kontext aller Grundbedürfnisse gestaltet.
Das heißt nichts anderes, als dass die Bindung zu deinem Baby wächst, während es von dir liebevoll und zugewandt berührt, gestillt, getragen und gepflegt wird. Bindung entsteht ebenso beim Spielen und auf ganz wunderbare Weise bei der Babymassage.
Wer ist dafür geeignet eine adäquate Bindung mit dem Baby aufzubauen?
Achtung – Jetzt sorge ich vielleicht für einen Schockmoment…
JEDER!
Prinzipiell ist jeder Mensch, der für die körperlichen, emotionalen, kognitiven und seelischen Bedürfnisse deines Babys sorgt ein guter Bindungspartner.
Doch – dazu ist Engagement notwendig.
Denn sind wir mal ehrlich – nicht jeder ist gerade im Moment in der Lage liebevoll auf die Bedürfnisse deines Babys einzugehen.
Was hat nun das Stillen mit der Bindung zu tun?
Sobald eine Mama die Hungersignale ihres Babys wahrnimmt, wird Oxytocin ausgeschüttet (und manchmal auch beim Weinen anderer Babys). Das hat manchmal zur Folge, dass die Milch bereits anfängt zu tropfen, noch ehe das Baby mit dem Stillen begonnen hat.
Oxytocin ist das Liebes- und Bindungshormon.
Es hilft uns auch, eine Bindung mit unserem Partner einzugehen.
Noch ein weiteres Hormon wird beim Stillen ausgeschüttet – Prolaktin. Dieses Hormon macht uns fürsorglich, mütterlich und kann uns ganz schön aggressiv machen, wenn jemand unserem Baby zu nahe kommt.
Auch bei deinem Baby passiert durch das Stillen so einiges im Körper. Es fühlt nicht nur deine Nähe und Wärme, es wird auch selbst wärmer. Hände und Füße werden warm, wenn es im direkten Hautkontakt mit dir ist.
Beim Saugen entsteht darüber hinaus auch bei deinem Baby eine Ausschüttung von Oxytocin. Ja genau! Wie passend.
Ihr beide seid in perfekter Bindungsbereitschaft.
Trotzdem ist es nicht das primär ausschlaggebende:
„Die Forscher fanden heraus, dass nicht die Art der Fütterung, sondern die Qualität der Interaktion zwischen Mutter und Kind mit sechs Monaten am sichersten die Qualität der Bindung nach zwölf Monaten voraussagte. Allerdings zeigten stillende Mütter nach drei Monaten post partum [Anm. post partum bedeutet nach der Geburt] im Vergleich zu nicht stillenden Müttern eine signifikant höhere Sensibilität in der Interaktionen mit ihrem Kind. Diese höhere Sensibilität kann die Qualität der Bindung fördern.“
aus „Bonding – Bindung fördern in der Geburtshilfe„* von Christine Lang
Genau genommen ist also nicht das Stillen „schuld“ an der engen Bindung, sondern der Fakt, dass das Stillen dich mehr und mehr verändert. Zu dem was dein Baby von dir braucht – zu einer Mama, …seiner Mama!
Wie können andere Personen in den Kreis der wichtigen Bindungspersonen aufgenommen werden?
Gerade am Anfang ist es für den Papa meist noch recht ok, dass das Baby am liebsten bei der Mama ist.
Doch irgendwann wendet sich das Blatt.
Wie du bereits gelernt hast, braucht es Zeit & Einsatz, damit Bindung wachsen kann. Außerdem braucht es ein bisschen Feinfühligkeit.
Nicht jedem von uns ist diese in die Wiege gelegt. Doch das schöne: wir können sie erlernen.
So hilft es schon ganz enorm, wenn die nächst-wichtigste Bindungsperson, also der nicht-stillende Partner oder, wenn für euch relevant, eine andere Person im Tages- und Pflegeablauf eine bedeutsame Rolle einnimmt.
Ab der 5. Lebenswoche ist die Entwicklung darüber hinaus meistens so weit fortgeschritten, dass ihr nun langsam anfangen könnt die Babymassage mit in euren Tag einzubauen. Die Berührung von Haut zu Haut ist ganz wunderbar für den Bindungsaufbau geeignet.
Auch das Tragen stillt auf wunderbare Weise von Anfang an das Nähebedürfnis. Eltern die eine tragende Rolle im Leben ihres Babys übernehmen sind einfach auch ganz „nah dran“, wenn das Baby die ersten leisen Bedürfnisäußerungen aus dem Schlaf heraus macht.
Die Reaktionszeit ist kurz und manches Bedürfnis lässt sich leichter erfüllen, wenn dein Baby noch „ganz leise“ danach fragt.
Was kann den Bindungsaufbau erschweren?
Bindung braucht immer das Miteinander.
Das Bonding zwischen dir und deinem Baby profitiert von einer bedürfnisorientierten Geburt, von dem Verzicht auf Trennungen und davon, wenn du gut versorgt bist und somit gut sorgen kannst.
Der Bindungsaufbau zu weiteren Bindungspersonen ist heute oft durch die räumliche Distanz und die seltenen Treffen erschwert. Wenn wir jetzt zum Beispiel an die Großmutter denken, die früher direkt mit im Haus wohnte.
Überlege mal, wie gut du jemanden kennen musst, damit du ihm eine Bankvollmacht ausstellst?
Mindestens so gut muss dein Kind eine Person kennen, um ihr das eigene Leben anzuvertrauen. Denn es hört sich jetzt vielleicht hanebüchen an – aber genau das ist es doch! Dein Baby vertraut sein eigenes Leben voll und ganz jenen Bindungspersonen an, mit denen es Zeit alleine verbringt.
Und dein Baby wird dabei mit jedem Entwicklungsschub mit einer sich noch größer und weiter zeigenden Welt konfrontiert. Immer neue Gefahren tun sich da auf. Gleichzeitig wächst die Klarheit darin zu zeigen, dass es sich nicht „jedem“ ohne Weiteres anvertraut.
Ganz besonders in der Zeit des Fremdelns.
Ist das Stillen schuld?
Gesellschaftlicher Konsens ist, dass das Stillen meist an allem schuld ist, was gerade eine unerwünschte Verhaltensweise ist.
Rein wissenschaftlich ist das aber nicht zu bestätigen.
Stillen gehört in die normale Ernährung und die Entwicklung der Bindungen, die dein Baby im ersten Lebensjahr eingeht, hängen von den Gelegenheiten ab, die dein Kind hat, um entsprechend stabile Bindungen aufzubauen.
Dabei ist dein Baby zurückhaltend. Qualität vor Quantität ist die Devise. Zumindest, so lange dein Baby die Wahl hat.
Welche Erfahrungen hast du mit der Bindungsentwicklung und dem Bindungsverhalten deines Babys gemacht? Gerade erst … oder wenn du dich zurückerinnerst.
Erzähl uns doch davon in den Kommentaren.
Und dann einmal durchschnaufen und weiter Stillen, auch wenn du mit einem doofen Vorwurf konfrontiert warst. 😀
Alles Liebe und bis bald,
~Tabea
Quelle:
Das Babyheilbad ist Teil eines 3-schrittigen Prozesses den du ausführlich im Buch von Brigitte R. Meissner „Emotionale Narben aus Schwangerschaft und Geburt auflösen„* kennenlernen kannst.
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