Nachdem ich in den vergangen Jahren in Oberbayern gelebt habe, waren Wanderausflüge in die naheliegenden Berge eine willkommene Gelegenheit.

Die Wanderwege sind deutlich ausgeschildert. Andere Strecken hätte ich mir als Anfänger auch gar nicht zugetraut!

Trotzdem. Wenn einige Tage zuvor ein ordentliches Unwetter gehaust hat, kann die Strecke begehbar sein – und dennoch Umwege erfordern.

Das ersehnte Ziel – die unglaublich leckere Brotzeit auf der Hütt’n – wird dann später erreicht.

Oder nur mit mehr Kraftanstrengung, weil der Alternativweg deutlich anstrengender war. Dann sitzt die Wandertruppe dort zusammen, nickt sich wohlwollend – wenn auch erschöpft – zu und genießt den Ausblick.

Ähnlich ist es mit einer vor dir liegenden Geburt.

Wie ein geplanter Weg für den Aufstieg, ist es für deine Geburt sinnvoll dir vorher zu überlegen, welchen Weg du gehen möchtest und welche Ziele du verfolgst. Ich bin der festen Ansicht, dass ein Geburtsplan eine der sinnvollsten Investitionen in deine Geburt ist.

Er entsteht mit diversen Wünschen und Vorstellungen in deinem Kopf. Letztlich ist er das Instrument das deinen Weg mitbestimmt, wenn es los geht.

Doch immer wieder höre ich die Einwände, die auch dir entgegen schlagen, wenn du erwähnst, dass du einen Geburtsplan machen möchtest.

Denn: Eine Geburt ist – ganz wie das Leben selbst – doch nicht planbar!

Gleichzeitig ist diese Unplanbarkeit rückblickend für viele Frauen eine schmerzhafte, zurückliegende Erinnerung. Wenn sie an die Geburt ihres Kindes denken, kommt nicht ihr wunderbares Baby zuerst in ihren Sinn, sondern Angst, Scham oder der völlige Kontrollverlust.

Ich gehe da an dieser Stelle gar nicht weiter ins Detail.

Für heute schauen wir nach vorne. Dorthin, wo du dein Baby gebären wirst.

Du wünscht dir ernst genommen zu werden. Auch unter der Geburt. Die Unversehrtheit deines Babys, deines Selbstbestimmungsrechtes und deiner Integrität als Frau. ist dir wichtig

Es geht also nicht darum, in einem Geburtsplan essentielle Gedanken von “irgendjemandem” aufzuschreiben, sondern das, was dir wichtig ist. Auch wenn die Inspiration aus der Geburtserfahrung anderer Frauen und erfahrener Geburtshelfer kommt – es ist deine Geburt und es geht um deine Bedürfnisse.

Du hast die Möglichkeit, alles was du aufgeschrieben hast nach verschiedenen Gesichtspunkten zu prüfen.

Gesichtspunkt #1 – Verantwortung

Im Rahmen deiner Geburt geht es um dich. Aber nicht nur. Es geht in gleichem Maße um dein Baby.

Es betrifft außerdem in ganz starkem Maße deinen Partner, der dich zur Geburt begleitet.

Ihr habt alle ein einschneidendes Erlebnis vor euch, bei dem es nicht nur um körperliche, sondern auch um psychische und seelische Gesundheit geht.

Dabei ist es wichtig Entscheidungen gemeinsam zu besprechen und zu tragen.

Immer wieder höre ich von Frauen, dass sie ihre Männer “perfekt instruiert” haben.

Schön und gut. Aber ganz ehrlich – wenn ein Arzt vor euch steht und euch erklärt, dass jetzt wichtige medizinische Entscheidungen getroffen werden müssen, die Einfluss auf die Gesundheit von mindestens einer Person haben, dann ist es wichtig mehr als nur ein paar Instruktionen zu haben.

Seid euch einander sicher und redet immer wieder über die Inhalte des Geburtsplanes.

Besprecht auch, wie ihr damit umgeht, wenn sich Entscheidungen ändern. Was es für euch bedeutet, wenn euer Partner nicht wie besprochen reagieren konnte.

Gesichtspunkt #2- Planbarkeit vs. Selbstbestimmung

Das Wort Geburtsplan ist inzwischen das gebräuchlichste für das Dokument, welches schriftlich niederlegt, wo die eigenen Prioritäten für die Geburt liegen.

Doch ich gebe gerne zu: es ist ein missverständliches Wort.

Manche Entscheidungen können vielleicht vorab bereits glasklar und weitreichend festgelegt werden. Andere jedoch nicht.

So kann ein solcher Geburtsplan – wenn er zu “absolut” formuliert wird – auch dich selbst eher unfrei machen. Und das ist ja keine Unterstützung!

Lass es mich an einem Beispiel verdeutlichen.

Du hast über die möglichen Nebenwirkungen und Nachteile einer PDA unter der Geburt gelesen oder von Freundinnen erzählt bekommen.

Nun schreibst du in deine Auflistung: “Keine PDA!”

Du verbietest dir vorab quasi selbst, eine Hilfe anzunehmen, die für dich vielleicht wichtig sein könnte.

Weicher formuliert kannst du darauf hinweisen, dass du vorhast ohne eine PDA zu gebären. Und dass bei Bedarf bitte erst alle nicht-medikamentösen Möglichkeiten zur Schmerzlinderung ausgeschöpft werden sollen.

Oder du kannst darum bitten, dass dir die PDA nicht angeboten wird, du aber selbst danach fragen würdest, käme sie für dich in Betracht.

Nun bekommt der Geburtsplan also eher den Charakter eines Leitfadens.

Er unterstützt die Kommunikation, statt sie zu verhindern.

Er ist nicht da, um dein Geburtspersonal zu gängeln, sondern um dir ein Sprachrohr zu sein, in einer Situation in der du dich fallen lassen sollst. Und keine Zeit, keine Nerven für ellenlange Erklärungen hast.

Gleichzeitig macht er klar, dass du dich mit deiner Geburt befasst hast und du auch bereit bist den Weg der Geburt auf deine Art zu meistern.

Gesichtspunkt #3 – Realitätsnähe

Wie um alles in der Welt sollst du dir einen Plan für ein Ereignis machen, was du noch nie erlebt hast?

Du kannst dir ja auch nicht einfach zusammenschreiben, was gar nicht funktionieren kann.

Na – im ersten Ansatz kannst du ja schon erst einmal aufschreiben, wie du dir deine Geburt vorstellst. Was dir ganz generell wichtig ist.

Nimm einige Leitfragen zur Hand:

  • Wie meisterst du am liebsten herausfordernde Situationen in deinem Leben?
  • Wie wünscht du dir gepflegt zu werden, wenn du krank bist?
  • Wie gehst du mit langatmigen oder kräftezehrenden Situationen um?
  • Was bringt dich dazu deine Kraftreserven zu aktivieren?

Im zweiten Schritt ist dann natürlich wichtig, dass du dich mit deiner bevorstehenden Geburt und was dich damit erwartet auch näher befasst.

  • Was ist überhaupt üblich in der Geburtsumgebung, die du für dich ausgewählt hast?
  • Worin lägen die Alternativen zu den dort üblichen Vorgehensweisen?
  • Was kann dir deine Geburt erleichtern und was davon kannst du dir tatsächlich vorstellen anzuwenden?

Du kannst zur Inspiration mutmachende Geburtsberichte lesen. So lernst du mehr darüber, was dein Körper so alles kann.

Um selbstbestimmt gebären zu können, wirst du dich auch mit einiger Literatur befassen. Du kannst ja nur über die Möglichkeiten selbst bestimmen, die du auch kennst.

Gesichtspunkt #4 – Ziele

Überlege bei den Aspekten auf die du wert legst, was “dein Warum” dazu ist.

Wenn dir dein “Warum” klar ist, ist es viel einfacher auch dahinter zu stehen.

Ist es ein medizinischer Grund, der dir einen Punkt besonders wichtig werden lässt? Oder ein persönlicher Grund?

Dir über deine Motive klar zu werden ist auch deshalb wichtig, weil du so herausfindest, ob du es einfach nur anders machen willst, als andere vor dir.

Es ist völlig egal, ob du handfeste, wissenschaftliche Gründe vorbringst oder ob dein Grund in deiner persönlichen Geschichte liegt. Aber ihn klarzumachen und mitzuteilen hilft deinen Begleitern, dein Denken und deine Entscheidungen besser zu verstehen. Und mitzutragen.

Gesichtspunkt #5- Umwege

Eingangs erwähnte ich sie bereits. Umwege unserer Wege. Sie gehören zum Leben dazu.

Doch auch für Umwege kannst du planen.

Meist gibt es ja nicht so wahnsinnig viele Alternativen. Gerade bei einer Geburt.

Dich mich den Umwegen zu befassen heißt aber auch, dass du dich unter Umständen deinen Ängsten stellen musst.

Schauen wir uns den Weg zu deiner Geburt einmal an. Angenommen du schreibst einen Geburtsplan. Du hast darin klar festgelegt, dass für dich nur eine normale Geburt ohne Interventionen in Frage kommt.

Mit Alternativen hast du dich nicht befasst – sie sind keine Alternative für dich.

Dann kommt es an einem Punkt der Geburt zu einer Situation, in der du vor die Entscheidung gestellt wirst. Es fallen Worte, die dir Angst machen. Um dein Leben, um das Leben deines Kindes. Du kannst sie nicht eindeutig einordnen. Alles passiert so schnell.

Die Kontrolle gleitet dir aus den Händen.

Dein Baby wird geholt. Du wurdest entmündigt – auch wenn du die Unterschrift zur Einwilligung selbst gegeben hast. Du hast dein Gesicht vor dir selbst verloren. Du bist enttäuscht von dir.

Schämst dich.

Auf das Handeln deiner Geburtsbegleiter hast du in dieser Situation wenig Einfluss. Wenn du dich mit der Option in der ein Kaiserschnitt notwendig werden kann allerdings befasst hast, kannst du auch für diesen Weg deine persönlichen Wünsche niederschreiben.

Du stellst dich nicht blind-taub-stumm für diese recht reale Situation. Der Anteil von Kaiserschnitten nachdem die Geburt bereits begonnen hatte (sekundäre Sectio) ist prozentual genauso hoch, wie der von vorab terminierten Kaiserschnitten (primäre Sectio). (Quelle: Faktencheck Kaiserschnitt 2012)

Machst du dich mit den Optionen für einen Kaiserschnitt vertraut, kannst du auch hier im Gespräch bleiben. Einfluss auf die Abläufe nehmen.

Du kannst lernen, welche Gründe für einen Kaiserschnitt sprechen könnten und welche Alternativen es gibt.

Du kannst kommunizieren, ob du eher zu einem frühzeitigeren Kaiserschnitt tendierst, wenn bestimmte Verläufe sich abzeichnen – oder bis zum Schluss eine Spontangeburt versuchen möchtest.

Auch wenn ich den Kaiserschnitt als plakatives Beispiel herangeführt habe – das Schema gilt für alle Arten von Interventionen unter der Geburt. Ich baue hier auch kein unrealistisches Szenario auf – denn in Deutschland sind nur mehr ca. 5% der Geburten überhaupt ohne eine Intervention.

Beginne damit, dich zu beschäftigen. Dann kann die Geburt für dich zu einem stärkenden Ereignis werden, auch wenn Unwägbarkeiten den Wegesrand säumen sollten.

Deine Geburt – Deine Entscheidung

Natürlich weiß ich auch, dass es für dich eine große Herausforderung sein wird, dich in die Themen rund um deine Geburt einzulesen.

Und ganz klar: du triffst die Entscheidung selbst, mit was du dich wie tiefgehend beschäftigen möchtest.

Genauso ist es natürlich dein Recht zu sagen, dass du dich in die Hände einer dir vertrauenswürdig erscheinenden Fachperson gibst. Auch das ist Selbstbestimmung. Das Recht sich auf die Entscheidung einer anderen Person zu verlassen, die tiefer im Thema drinnen steckt. Das machen viele Frauen in Deutschland jeden Tag – und sie kommen damit klar, so lange dabei nicht ihre persönlichen Grenzen überschritten werden.

Wenn du hier aber liest, weil du selbst gerne das Ruder deines Lebens in der Hand hältst, dann lade ich dich ein mich hier häufiger zu besuchen.

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Alles Liebe und bis bald,
~Tabea

Bildquelle (abgerufen und bearbeitet am 13.05.2015):
“Estany de la Llastra” by Javier Sanchez Portero – flickr, lizensiert unter CC BY-SA 2.0

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Tabea Laue | Stillen, Schlafen, Mama-Sein
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