Tania (Name auf Wunsch geändert) hatte eine tolle Schwangerschaft.

Zwei Wochen vor Geburtstermin hatte sie beim Frauenarzt ihre CTG-Kontrolle. Routine. Doch die Herztöne ihres Babys wurden als auffällig eingestuft.

Sofort sollte sie in die Klinik. Dort musste sie bleiben.

Umgehend kam das Thema Kaiserschnitt auf. Ein letzter Versuch per Einleitung wurde, wie eine Gnadenfrist, gegeben.

Sie verlor jegliche Kontrolle. War machtlos. Ausgeliefert.

Ihre Stimme wurde nicht mehr wahrgenommen.

Mühevoll musste sie nach der Geburt jemanden finden, um ernst genommen zu werden. In Ihrer Trauer. In Ihrer Wut. Um darüber sprechen zu können. Ohne „abgebügelt“ zu werden.

Tania hat erfahren, was es bedeutet, wenn es nur noch heißt:

zit
Hauptsache, das Kind ist gesund.

Wenn die Situation der Mutter völlig ignoriert wird. Egal, wie schlecht es ihr dabei körperlich mit den Schmerzen oder auch einfach psychisch geht.

Doch – kannst du dich überhaupt vor so einem übergriffigen Geschehen schützen?

Dein erwarteter Geburtstermin rückt immer näher.

Du schwankst an manchen Tagen zwischen Vorfreude und tiefem Respekt. Manchmal macht sich auch Angst breit.

Wird die Geburt so funktionieren, wie du geplant hast? Wie du es dir wünscht?

Oder wird es dir gehen wie Tania?

Diese Unsicherheit macht dich verrückt. Du versuchst sie so oft wie möglich weit weg von dir zu schieben.

Für dich ist klar, dass du eine natürliche Geburt möchtest. Aus eigener Kraft willst du dein Kind gebären.

Du glaubst daran, dass du dafür geschaffen bist.

Damit hast du recht!

Die WHO sagt, es ist nicht notwendig, dass mehr als 10-15% der Geburten mit einem Kaiserschnitt beendet werden. Die Semmelweiß-Klinik Wien hatte unter der Leitung von Dr. Alfred Rockenschaub sogar nur eine Kaiserschnitt-Rate von 1,3% – in dieser Zeit erblickten dort weit über 40000 Babys das Licht der Welt.

Wer den Blick über Deutschlands Landkarte schweifen lässt sieht jedoch über die Landkreise hinweg meist eine Rate an Kaiserschnitten von ca. 16% (Stadt Dresden) – in manchen Gegenden sogar über 47% (Kreis Amberg Sulzbach).

Erhebt man den Blick weiter über Europa schwanken die Zahlen im Ländervergleich zwischen 17% (Schweden) und 52% (Zypern).

Doch wieso können die Frauen in den Industrieländern offenbar so unterschiedlich häufig spontan gebären? Sogar innerhalb unseres einen Landes!  Wir haben doch alle die gleichen, modernen Voraussetzungen!

Als Hauptgründe sogenannte „relative Indikationen“ genannt.

Es wird offensichtlich, dass die Wahrscheinlichkeit, dass du einem ungewollten Kaiserschnitt unterzogen wirst in manchen Gegenden besonders hoch sind. In manchen Kliniken. Je nach Bewertung des behandelnden Arztes.

Das bedeutet aber auch, dass du einige Möglichkeiten hast, dich vor einem medizinisch unnötigen und von dir nicht gewollten Kaiserschnitt zu schützen!

1. Deine gewählte Klinik

Ich habe es schon angedeutet. Es gibt gravierende Unterschiede in der Kaiserschnittstatistik einzelner Kliniken. Woran das im Detail liegt ist verschieden.

Es gibt zwar einige Faktoren, die eine erhöhte Kaiserschnitt-Rate in Kliniken begünstigen. Aber letztlich ist für dich ausschlaggebend: Wie hoch ist die Kaiserschnitt-Rate in deiner Klinik.

Der Unterschied von 20% auf 40% bedeutet für dich eine Verdoppelung!

Selbst wenn du eine Hausgeburt oder eine Geburtshausgeburt planst: Suche dir für eine eventuelle Verlegung in Ruhe die Klinik deiner Wahl aus. Die muss nicht den kürzesten Weg haben. Klar muss sie in machbarer Zeit erreichbar sein.

Die Auswahlkriterien sind die gleichen.

Egal, ob du von vorne herein planst in eine Klinik zu fahren, oder ob du dir die Optionen offen hältst.

Solche Geburtsstatistiken sind meist online zu finden.

Über Portale, die Krankenkassen oder direkt bei der Klinik. Dabei hilft der Vergleich der „absoluten Zahl“ der Geburten mit jener der im gleichen Zeitraum durchgeführten Kaiserschnitte.

Natürlich kannst du auch direkt bei der Klinik um Auskunft bitten.

2. Dein schriftlicher Geburtsplan

Mit einem Geburtsplan stellst du schriftlich deine Erwartungen und Einstellungen zur Geburt dar. Er kann dir helfen deine Wünsche an das Klinikpersonal auszudrücken.

So kommunizierst du klar, dass du dich auch mit einer längeren Geburtsarbeit auseinandergesetzt hast. Keinen frühzeitigen Kaiserschnitt möchtest.

Ein Geburtsplan ist in jedem Fall ein guter Handlungsleitfaden. Weil dem begleitenden Personal unter der Geburt manchmal nicht die Möglichkeit gegeben ist diesen zu lesen, kannst du ihn vorab gemeinsam mit deiner Anmeldung in deiner Akte hinterlegen. Ein Vermerk auf deiner Akte hilft, dass er nicht in Vergessenheit gerät.

Und: natürlich können du und dein Partner auch bei Aufnahme noch einmal darauf hinweisen.

3. Deine persönliche Beleghebamme

Obwohl die Hebammen derzeit vor allem um ihren Berufsstand kämpfen müssen, gibt es sie noch. Beleghebammen. Nicht überall, aber vereinzelt.

Die Beleghebamme begleitet dich ebenso persönlich und im 1:1-Kontakt, wie eine Hausgeburtshebamme. Mit einem Unterschied. Zur Geburt seid ihr vor Ort in den Räumen der Klinik, mit welcher sie einen Raum-Nutzungs-Vertrag hat.

Bei der Zusammenarbeit mit einer Beleghebamme sind für dich nicht die Klinikstatistiken relevant, sondern die individuelle Kaiserschnitt-Statistik dieser Hebamme.

Im Normalfall ist zu erwarten, dass diese geringer ist, als die allgemeine Klinikstatistik. Aber eine Garantie ist es natürlich nicht.

Die großen Vorteile bei eurer Zusammenarbeit:

  • du und deine Hebamme, ihr kennt euch. Es erwartet dich ein bekanntes Gesicht, das dich während deiner Geburt begleitet.
  • die 1:1-Betreuung, die so oft gefordert wird, ist mit größerer Wahrscheinlichkeit gewährleistet.
  • manche Beleghebammen bieten auch eine Wehenbegleitung in einer frühen Geburtsphase zu Hause an.

Ebenfalls eine hohe Rate an völlig interventionsfreien Geburten findest du im sogenannten Hebammenkreissaal.

4. Deine begleitende Doula

In den USA ist die Geburtshilfe durch eine schwarze Zeit gegangen. Noch immer sind die Zustände dort um ein vielfaches komplizierter, als in Deutschland.

Dort ist die Anwesenheit einer Hebamme bei einer Geburt – anders als in Deutschland – nicht als rechtliche Voraussetzung verankert.

Deshalb haben freiberufliche Doulas dort bereits einen recht hohen Stellenwert.

In Studien konnte eine signifikante Reduzierung der Kaiserschnitt- und Interventionsrate festgestellt werden.

Auch hier in Deutschland profitierst du von der Begleitung durch eine geburtserfahrene Begleiterin an deiner Seite.

Eine Doula ersetzt dabei keinesfalls die Hebamme.

Sie füllt viel mehr die Lücke, die durch die Reduzierung des Personals ggf. dazu führt, dass eine Hebamme in der Klinik mehrere Geburten gleichzeitig betreuen muss. Wenn es sich gerade ungünstig fügt.

Eine Doula kann natürlich auch nicht verhindern, dass es vielleicht zu Vorfällen unter der Geburt kommt, wie du sie nicht haben wolltest. Doch sie kann dir helfen die Vorgänge zu verstehen. Sie kann dich begleiten, wenn du Entscheidungen treffen musst. Kann dir helfen nachzubohren, wenn du weitere Informationen vom medizinischen Personal brauchst.

Wichtig ist, die Begleitung durch eine Doula vorher in der Klinik anzukündigen. Manche Kreissääle haben noch eine recht starre Kultur der möglichen Begleitung. Sie erlauben gelegentlich nur eine zusätzliche Person für die Gebärende.

Hier kannst du versuchen das Gespräch zu suchen und herauszufinden, wie viele Frauen eine Hebamme im absoluten Maximalfall betreut. So hast du eine Argumentationsgrundlage.

5. Deine konzentrierte Hypnose

Neuen Trends stehe ich immer mit einer gewissen Skepsis gegenüber. Doch wenn der Trend eine „gute Sache“ beinhaltet – wieso sollte man ihm dann nicht nach eigenem Bedarf folgen?

Herüber geschwappt aus den USA ist seit einiger Zeit das sogenannte Hypnobirthing. Zum Erlernen dieser Selbsthypnosetechnik gibt es verschiedene Anbieter.

Kern aller dieser Techniken ist eine Lehre, die mit Affirmationen und einer tiefen, konzentrierten Selbsthypnose, sowie mit einer Art Engramme die eigene Geburtsarbeit unterstützt.

In diesem Zusammenhang wird auch der Versuch unternommen, so auf die bei der Geburt beteiligte Muskulatur einzuwirken, dass diese weich ist und locker lässt.

Um diesen Prozess zu unterstützen wird daher auch mit einem anfangs eher fremden Wortschatz gearbeitet. Daher ist häufig eher von „Wellen“ und „Dehnung“ die Rede.

Mancher mag die Selbsthypnose für „Mumpiz“ halten. Doch es zeichnet sich ab, dass Hypnobirthing-Geburten seltener zu einem Kaiserschnitt führen.

6. Deine ruhige Angstfreiheit

Die Stresshormone die ausgeschüttet werden, wenn du unter Angst leidest hemmen das für eure Geburt so wichtige Oxytozin in seiner Ausschüttung.

Eine Umgebung in der du dich wohl und gut begleitet fühlst, ist deshalb so wichtig für eure Geburt.

7. Deine individuelle Geburtsposition

Viele Hebammen kämpfen seit langem dafür, dass wieder mehr Geburten in einer aufrechten Haltung möglich sind. Einfach ist das nicht durchzusetzen.

Besprich mit deinem Geburtsteam, welche Geburstposition in ihrer Betreuung am häufigsten gewählt wird. Welche Positionen du dir vorstellen kannst.

Bitte darum, dass du angeleitet wirst eine Position einzunehmen, die euren Geburtsfortschritt unterstützt.

8. Dein Verzicht auf eine PDA

Als Schmerzmedikation ist die PDA eine wirklich umstrittene Maßnahme. Von den einen in den Himmel gelobt, von anderen als Höllenmittel verurteilt.

Sie geht aber einfach mit nicht immer offensichtlichen Risiken einher, an die du vorab denken solltest.

Letztlich ist hier Augenmaß gefragt.

Im Einzelfall ist zu entscheiden, ob der Zeitpunkt für eine PDA vielleicht zu früh ist und viel wichtiger: ob die Alternativen schon ausgeschöpft sind.

Eine gute, persönliche Betreuung ist durch eine reine Schmerzbefreiung einfach nicht zu ersetzen. Die PDA ist also als Rettungsring in abgewägten Einzelfällen zu sehen.

9. Dein spontaner Geburtsbeginn

Erfahrende Hebammen bestätigen es immer wieder: wird einmal angefangen in das Geburtsgeschehen „von außen“ einzugreifen, dann ist die Wahrscheinlichkeit viel höher, dass weitere Maßnahmen folgen werden.

Während früher bis zu 3 Wochen nach errechnetem Entbindungstermin auf den Beginn der Geburt gewartet wurde, sind es heute noch 10-14 Tage.

Wichtig ist dabei auch hier wieder: genau hinsehen!

Wurde der voraussichtliche Geburtstermin anhand korrekter Daten errechnet? Wurde die Zykluslänge ggf. angepasst (nicht jede Frau hat einen 28-Tage-Standardzyklus)? Wurden weitere Anzeichen, wie der Zeitpunkt einer Einnistungsblutung (Nidation) mit berücksichtigt?

10. Deine gute Vorarbeit

Eine Geburt beginnt meist sehr langsam. Bevor dein Körper bereit ist, dein Baby freizugeben, werden einige Stunden vergehen.

Die Erfahrung von Hebammen zeigt: es ist gut einen Großteil dieser Zeit im gewohnten Umfeld zu verbringen.

Euer Vorteil ist, dass ihr in dieser Zeit wirklich das tun könnt, wonach es euch ist.

Wenn du dir nicht vorstellen kannst, diese Zeit alleine zu überbrücken, kannst du schauen, ob du eine Hebamme zur Wehenbegleitung zu Hause findest.

Natürlich steht es dir frei, dich auch schon früher an deinen Geburtsort zu begeben, wenn du dich dort wohler fühlst.

11. Dein zukunftsweisender Kaiserschnitt

In seltenen, ganz festgelegten Fällen, ist eine spontane Geburt von vorne herein ausgeschlossen.

Doch auch hier ist es gut, wenn du schon einige Schritte weiter denkst.

Die Hebamme Ina May Gaskin empfiehlt in ihrem Buch „Die selbstbestimmte Geburt“ in solch einer Situation auch die angewandte Nahtart zu besprechen, um Komplikationen bei einer nachfolgenden Schwangerschaft und Geburt vorzubeugen.

Und: auch ein Kaiserschnitt kann und darf eine selbstbestimmte Geburt sein!

Fazit:

Die Geburt ist ein Ereignis, das von Menschen gestaltet wird.

Abhängig davon, wer die Entscheidungen über eure Geburt trifft, werden diese unterschiedlich ausfallen.

Informiere dich, mit wem du bei eurer Geburt zusammenarbeiten möchtest.

Mach deine Standpunkte klar und stelle sicher, dass auch dein Partner diese mit trägt.

Gestalte eure Geburt aktiv mit – schon bevor sie los geht.

Ich wünsche dir, dass deine Geburt ein kraftspendendes Ereignis wirst, aus dem du gestärkt hervorgehst und an welches du gerne zurück denkst.

Und Tania?

Sie muss nun ihren Umweg gehen. Ob es auch anders gegangen wäre? Sie hatte keine Chance das herauszufinden.

Heute sagt sie:
zit
Man muss für sich kämpfen um die eigenen Bedürfnisse durchsetzen zu können. Ich hoffe dass die Stimmen sich erheben und laut sein werden.

Wie sorgst du für dich vor? Wie hast du dich vorbereitet, um deine Selbstbestimmtheit unter der Geburt zu behalten?
Schreib mir in den Kommentaren!
Wenn du dabei eine Frage hast, antworte ich gerne.

Bis bald,
~Tabea

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Tabea Laue | Stillen & Babyschlaf
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  • Hallo,
    sehr tolle Tips! Danke.
    Spontane Geburt auch bei Zwillingen vehement planen und vertreten?
    Ich hab 2 Kinder von 2 und 4 und vertraue auf die Natur – aber das kh (das einzige was in frage kommt) ist berüchtigt…
    Gruß
    Barbara

    • Hallo Barbara,

      erstmal herzlichen Glückwunsch zu euren Bauch-Zwillingen.

      Nun – ich würde sagen: dringend ins Gespräch gehen. Nachhaltig.
      Wissen anhäufen, Studien sammeln und frühzeitig vorab (mehrere!) Gesprächstermine vereinbaren. Wenn es das einzige ist.

      Habt ihr über die Begleitung durch eine Doula nachgedacht? Die euch zusätzlich stützt und begleitet?

      Berüchtigt – berüchtigt, wofür?

      Eine spontante Geburt mit Zwillingen wird euch in jedem Fall, wenn diese Klinik für Zwillings-Kaiserschnitte bekannt ist, nicht leicht in die Hände fallen – das wäre eine Illusion.

      Gruß zurück,
      ~Tabea

  • Hallo,

    zur Wahl der Klinik möchte ich etwas sagen. Sicherlich gibt es Häuser, die leichtfertig KS durchführen, aber man sollte hier nicht auf die blanken Zahlen achten. Du hast es schon angedeutet.
    Wir haben hier in der Stadt z.B. eine Klinik, sie Geburten vor der 38. SSW sowie Risikoschwangerschaften grundsätzlich ablehnt. Sie werben selbst mit einer niedrigen KS-Rate, was mich wütend macht. Denn wenn man schwierige Fälle auf andere Häuser abwälzt ist ja klar, dass man regional selbst die niedrigste Statistik hat. Außerdem kann so ein Konkurrenzgehabe auch mal schnell dazu führen, dass man einen notwendigen spontanen KS zu lange hinaus zögert.

    Liebe Grüße

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