Du hast das mit der Milchbildung im Prinzip verstanden, fragst dich aber immer noch, was es nun mit der Frage nach “genug Milch” und dem Thema des Clusterstillen auf sich hat?
Zu Beginn der Stillzeit ist bei der Milchproduktion das gesamte Hormonsystem beteiligt. Wie das im Detail auf hormoneller Ebene abläuft kann ich dir aus dem Stegreif grad gar nicht erklären, aber die Hormonausschüttung passiert zu dieser Zeit im Gehirn.
Der Körper wird quasi programmiert für die Menge der Milchproduktion.
Bei dieser Programmierung kann einiges verkehrt laufen.
- Seltenes Anlegen >> die Milchproduktion bleibt niedrig
- Schnuller >> der Mamakörper weiß nichts von der tatsächlichen Saughäufigkeit
- Stress >> Stresshormone sind der Gegenspieler vom Milchspendereflexhormon und reduzieren dessen Ausschüttung / Wirkung
- Milch wird nicht entnommen >> der Druck im Milchbläschen steigt und der Körper bekommt die Info dass nicht mehr gebraucht wird, sondern eher rückabgebaut werden muss (passiert auch bei Stress)
- Plazentareste >> der Körper bekommt die hormonelle Info dass das Baby noch im Bauch ist und hält die Milchproduktion zurück
- Schilddrüsenunterfunktion >> es fehlen wichtige Hormone im Zusammenspiel für die Milchproduktion
- Hormonstörungen durch PCOS >> können Einfluss auf die Milchproduktion nehmen
- usw.
Dein Körper lernt stillen
Nach der Geburt lernst nicht nur du das Stillen, sondern auch dein Körper. Deine Milchproduktion wird etabliert.
Am Ende des Wochenbettes – so ca. nach 6-8 Wochen nach Geburt – ist die Milchproduktion im Körper programmiert.
Wurde die Milchproduktion am Ende des Wochenbettes nicht richtig aufgenommen, kann es sein, dass eine ausreichende Milchproduktion nur noch unter Einsatz von Medikamenten durch eine “induzierte Laktation” in Betrieb kommt.
Ab da ist die Reizleitung zum Gehirn (meines Wissens nach) viel weniger relevant, weil tatsächlich das meiste vor Ort rund um die Milchdrüse passiert. Und da passiert dann das, was du schon gehört hast – es wird primär während dem Stillen gebildet.
Ich weiß gar nicht ob es da ganz exakte und nennenswert breit genug gefächerte Forschung gibt. Also mit ausreichenden Probantinnen, damit man das so generell sagen kann.
Bestimmte Aspekte kennt man vermutlich noch gar nicht exakt.
Genug Milch bedeutet letztlich, dass dein Milchfluss so im Einklang mit dem Stillen deines Babys funktioniert, dass es dabei gut gedeihen kann. Also die Gewichtszunahme.
Dabei ist die Mahlzeitenverteilung bei Babys höchst individuell verschieden.
So kann es sein, dass die Sorge aufkommt, dass zu wenig Milch fürs Baby da sei, einfach weil ein Baby die Nahrungsaufnahme auf sehr viele Mahlzeiten (12-14 in 24 Stunden) verteilt. Was für westliche Nationen ungewöhnlich klingt, in ursprünglich lebenden Völkern hingegen wenig ist.
Im Entwicklungsschub wird die Milchmenge dann vom Baby auf den neuen Tagesbedarf angepasst. Der ist immer etwa 1/6tel vom aktuellen Körpergewicht. Die Anpassungsspanne ist später aber nicht mehr so viel auf einmal und verteilt sich ja auch auf viele Mahlzeiten. Trotzdem merken viele Mamas in einer Schubphase, wie sie plötzlich ständig zum Stillen gebeten werden.
Nicht jedes Baby macht Clusterstillen
Es gibt Babys die alle 4 Stunden für 3 Minuten Stillen und wunderbar gedeihen.
Daher gibt es nicht das Patent-Stillrezept für jeden und deshalb können Blogartikel immer nur einen Teil der Fragen beantworten und individuelle Beratung kommt im Einzelfall zu ganz anderen Empfehlungen 😉
Wenn die Gewichtszunahme vom Baby entlang der individuellen Percentile läuft, passt auch alles mit der Milchproduktion.
Der “Füllstand der Brust” hat nicht direkt etwas mit dem Thema “genug Milch” zu tun, sondern eher mit der Verteilung der Milch.
Also – wenn eine Frau viel Brustdrüsengewebe hat (Achtung – ist nicht gleichzusetzen mit einer großen Brust – in der Brust hat es ganz verschiedene Gewebearten) hat sie viele Milchbläschen, die auch Milch speichern können.
Das heißt es kann wirklich sein, dass eine große Mahlzeit zum Abruf wartet.
Eine andere Frau, mit viel weniger Brustdrüsengewebe, hat vielleicht dann eine effektivere Milchproduktion während dem Stillen. Ihr Körper wird das ja sehr effektiv üben während der ersten Wochen.
Allerdings kannst du trotzdem in deiner Schwangerschaft deshalb nicht unbedingt einen Rückschluss von der Größe deiner Brust auf die Häufigkeit der Mahlzeiten nehmen, die dein Baby stillen wird. Ich bin mit reichlicher Oberweite gesegnet und mein Sohn wollte dennoch ohne weiteres 14 Mal pro 24 Stunden stillen als er noch ein kleines Baby war.
So.
Und wo ist nun das Clusterstillen einzuordnen?
Sehr gute Frage.
Auf der Wochenstation in Landsberg am Lech hatten wir ganz wunderbare Stillprotokolle mit einem Zeitstrahl. Ganz ähnliche Protokolle gebe ich inzwischen in meinem Stillvorbereitungskurs online aus, weil sie tausend Mal besser sind als alle Apps und Listen die es sonst gibt.
Dort konnte ich reihenweise die Verteilung des Stillens sehen, wenn ad lip – also nach Bedarf – gestillt wurde. Fast immer kam es zu 1-2 Clusterstillphasen im Verlauf von 24 Stunden.
Bei manchen morgens & abends, bei anderen nur abends, bei manchen Babys Nachts (was sehr blöd für die Mamas war) und bei wieder anderen Babys im Verlauf des frühen Nachmittags.
Wie schon angedeutet. Es gibt Babys die überleben wunderbar auch ohne Clusterstillen und sich mit einer vollkommen ausreichenden Milchproduktion der Mama versorgt.
Die Erklärungen für die Bedeutung des Clusterstillens sind vielseitig.
Es korrigiere mich, wer mehr weiß, aber ich weiß selbst nichts über irgendwelche Studien über das Clusterstillen.
Aber es lässt sich beobachten, dass das viele Babys tun und dass es eben zur natürlichen Mahlzeitenverteilung dazu gehört.
Was man auch beobachten konnte war, dass immer dann, wenn man den Babys dieses Stillverhalten versuchte zu “unterbinden”, dass es zu einem Rückgang der Milchproduktion kam. Oder ganz praktisch eben dazu, dass mit Fläschchen zugefüttert wurde, weil die Babys irgendwann so einen Knast entwickelt hatten, dass trotz Stillen gar kein Hinterherkommen mehr war.
Erklärungsversuche für das Clusterstillen gibt es daher einige
Die Bestellung für den nächsten Tag
Wenn das Baby über einen längeren Zeitraum ständig immer wieder stillt, dann findet natürlich nochmal eine stärkere oder enger getaktete Hormonausschüttung statt. So kommt die Erklärung zustande, dass damit “quasi” die “Bestellung” der Muttermilch für den nächsten Tag stattfindet.
Rein physiologisch betrachtet sehe ich da schon ein paar Fragezeichen, aber es ist ein gutes Bild, mit dem man sich den Sinn gut vorstellen kann.
Das Lagerfeuerstillen
Früher wie heute ist der Tag zum Arbeiten da. Tagsüber sind wir oft geschäftig unterwegs. Auch die Babys haben viel zu schauen und sind spätestens nach einigen Monaten häufig abgelenkt.
Am Lagerfeuer war früher dann einfach die Zeit, dass in Ruhe gegessen, erzählt, gesungen und eben auch gestillt wurde.
Babys aus tragenden Völkern haben auch heute noch den ganzen Tag Zugang zum Stillen und praktizieren das häufig den ganzen Tag eher “nebenher”. Das konnte man beobachten. Am Lagerfeuer am Abend wird es dann eben gemütlich.
Die Verarbeitung des Tages
Wo wir gerade schon über den Tag gesprochen haben, gab es natürlich auch viele Eindrücke. Die wollen verarbeitet werden.
Stillen ist ja nicht nur Nahrungsaufnahme, sondern eben auch Nähe, Geborgenheit, Sicherheit, es werden (Bindungs-)Hormone übertragen und das Saugen hilft dabei Anspannung zu lösen.
Milchbildung & Clusterstillen hängen bei vielen Mamas & Babys eng zusammen
Eine physiologische Sache noch, die beim Clusterstillen meist passiert ist das Wechselstillen. Beim Wechselstillen wird immer das jeweils schon nachgebildete Reservoir wieder entleert. So findet ein größerer Milchtransfer statt, als wenn das Baby zb. erst 2 Stunden später wieder stillt. Gerade bei Frauen mit weniger Milchdrüsengewebe also eine sehr clevere Maßnahme, damit die Milch reichen kann.
Das kleine Babygehirn wächst 24 Stunden am Tag in einer immensen Geschwindigkeit und braucht zum Aufbau alle Bausteine des Lebens. Die findet es in der Muttermilch.
Gleichzeitig brauchen wir Mamas heute immer mehr Erklärungen, für das normale Babyverhalten, weil wir in der Vergangenheit einfach so weit weggekommen sind vom natürlichen Umgang mit unseren Babys. So ist unser Bauchgefühl überlagert mit falschen Vorstellungen. Und mit einer Erwartungshaltung auch in unserem Umfeld, der wir gar nicht gerecht werden können, wenn wir dem natürlichen Rhythmus unserer unvoreingenommenen Babys folgen.
Hat dir die Zusammenfassung ein wenig geholfen die Hintergründe besser zu verstehen? Oder bist du jetzt noch verwirrter als vorher. Hinterlass mir gern unten einen Kommentar – herzlich gern auch mit deinen Fragen.
Alles Liebe und bis bald,
~Tabea
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Hallo Tabea
Toller Artikel, danke dafür!
Mein Sohn (22Wochen) war von Anfang an etwas schmaler und eher am unteren Rand der Perzentilen. Er schwankt mittlerweile zwischen der 6. Und 13 (derzeit wiegt er 5750 Gramm). Ich stille voll, etwa 10 Mal am Tag. Öfters anlegen möchte mein Kleiner nicht, er dreht sich dann weg und quengelt.. wir geben seit etwa 2 Monaten Muttermilchsahne zusätzlich, damit nimmt er seither auch meist mindestens 100 Gramm pro Woche zu.
Unsere Kinderärztin ist sehr entspannt und meint wir brauchen uns keine Sorgen machen, da er sehr aktiv und motorisch fit ist. Aufgrund von Urlaub waren wir wegen eines kleinen Infekts in einer Vertretungspraxis.. der Arzt dort meinte das Gewicht bzw die Zunahme würde ihm Sorgen machen, es könne daran etwas nicht stimmen, wenn wir die 100 Gramm auch immer nur mit der Sahne erreichen können.. er rät uns dazu die Situation zu überdenken und dringend etwas zu ändern..
Lange Rede, kurzer Sinn: wir sind ziemlich verunsichert! Kannst du uns deine Einschätzung dazu geben?
Liebe weihnachtliche Grüße Tina
Hallo Tina,
ab dem 5. Lebensmonat kann eine wöchentliche Zunahme von 70-140 g normal sein, davor ist die Mindestzunahme für sehr schmale Babys 110 Gramm pro Woche. Fällt ein Baby einmalig wegen eines Infektes darunter, kann das vorkommen – ist dies ein widerkehrender Zustand, ist es möglich, dass eine bisher nicht bedachte Ursache die Nahrungsaufnahme erschwert. Eine entspannte Kinderärztin zu haben ist viel wert – allerdings sollte die Ursachenabklärung dabei nicht zu kurz kommen.
Gerade auch die dauerhafte Gabe von Muttermilchsahne (welche nur als vorübergehende Maßnahme und für sehr spezielle Situationen gedacht ist) verringert die Aufnahme von den enthaltenen Eiweißen – die Muttermilch hat ja eine Idealzusammensetzung. Von daher verstehe ich die Bedenken des Vertretungskinderarztes sehr!
Für eine genaue Einschätzung bräuchte ich deutlich mehr Daten und letztlich eine Anamnese. Natürlich darf es leichte & schmale Kinder geben – so lange dies ihrem genetischen Bauplan entspricht und nicht Ausdruck einer Unterversorgung ist. Wenn du dich dazu mit mir beraten möchtest, kannst du gerne einen kostenfreien Vorgesprächstermin unter vereinbaren: https://tabealaue.de/kalender/
Lg, Tabea