Ist es möglich ein Baby noch einmal zum vollen Stillen zu bringen, wenn es mit Prenahrung ernährt wurde? Diese Frage erhalte ich häufig!
Carolin ist meinem Aufruf gefolgt und hat mir eine eMail mit ihrem Stillbericht geschrieben, den ich hier veröffentlichen darf. Dafür bin ich immer sehr dankbar, um die bunte Welt der unterschiedlichen Wege von Stillbeziehungen zu zeigen.
Gerade ein Weg von der Prenahrung über das Pump-Stillen hin zum Voll-Stillen braucht Mut und Überzeugung.
Meine Kommentare und Erläuterungen zu Carolins Bericht wirst du an der – pinken – Schriftfarbe erkennen können.
Erschwerter Stillstart nach Kaiserschnitt
Meine Tochter kam 2016 durch verschiedene Umstände leider per Kaiserschnitt zur Welt.
Meine Idealvorstellung von Geburt, Kind auf die Brust, Andocken und Nuckeln, Bonding Haut an Haut – alles nicht möglich.
Immer mehr Kliniken bieten “intraoperatives Bonding” während die OP-Wunde verschlossen wird. So vermeiden sie unnötige Trennungen von Mutter & Baby.
Kurz nach Entbindung wurde der Papa mit ihr aufs Zimmer geschickt, ich sah sie erst nach Ende der OP auf dem Zimmer wieder.
Zum Glück hatte meine Hebamme mich recht gut vorinformiert, so dass ich eigenständig (mit Hilfe des Papas) schnell die ersten Stillversuche wagte.
Hilfe und Unterstützung bekam ich bis zur Entlassung genau gar keine.
Ich hatte bereits 2015 ein Sternenkind in der 39. SSW entbunden und war damals recht froh, dass bei mir nach Geburt nie ein Milcheinschuss kam und ich so mit etwas Salbeitee problemlos abstillen konnte.
Die Geburt eines Sternenkindes kann – egal in welcher Schwangerschaftswoche – eine hebammengeleitete Geburt sein. Diese Option wird in frühen Schwangerschaftswochen häufig nicht kommuniziert und dann wirkt es so, als wäre eine Ausschabung die einzige Möglichkeit..
Vom Milcheinschuss keine Spur
Nun war jedoch im Krankenhaus nichts von Milcheinschuss zu merken.
Nicht immer ist der Milcheinschuss spürbar.
Da sie aber im Krankenhaus nicht so arg abgenommen hatte wurden wir entlassen.
Die Hebamme kam ab da täglich zur Nachsorge.
Von Milcheinschuss keine Spur.
Es beunruhigte mich nicht weiter und es schien auch sonst niemanden zu beunruhigen.
Die Gewichtsentwicklung vom Baby: extrem zögerlich
Meine Tochter nahm nur sehr langsam zu, ich sollte mir aber keine Sorgen machen.
Nach dem der erste Geburtstag des Sternenkindes verstrichen war wurde häufiger gewogen.
Meine Tochter machte nie einen unzufriedenen oder hungrigen Eindruck, sie schlief auch nicht ungewöhnlich viel und wirkte zufrieden und fit.
Vor allem bei ruhigen, zufriedenen Babys bemerkt man eher zu spät, dass die Milchmenge gerade nicht reicht.
Es vergingen Wochen ohne dass jemand reagierte
Nach 8 Wochen wurde es kritisch, da sie noch immer nicht das Geburtsgewicht wieder erreicht hatte.
Bei einer gut funktionierenden Stillbeziehung ist das Geburtsgewicht am 10. Lebenstag wieder erreicht – spätestens nach 2 Wochen soll das Geburtsgewicht wieder erreicht sein.
Es musste sich also von heute auf morgen schlagartig was ändern.
Ich solle bitte sofort zufüttern (Bechermethode wurde mir erklärt), mir beim Kinderarzt eine Pumpe verschreiben lassen und zusätzlich abpumpen, um zu schauen ob überhaupt genug Milch da ist.
Außerdem wurde mir gesagt ich würde viel zu wenig essen und trinken und solle es nun auch mit Russenmilch probieren.
Es gibt die unterschiedlichsten Hausmittel, die zur Milchsteigerung empfohlen werden. In Indien sagt man, dass Zwiebeln mehr Milch machen würden – in Deutschland steht meist das kalorienreiche Malzgetränk auf der Liste.
Fakt ist, dass Nahrungsmittel keinen nachweisbaren Effekt auf die Milchbildung haben. Kräuter können nur dann wirken, wenn sie eine bestimmte Wirkdosis erreichen und somit, genau wie chemische Medikamente auch Nebenwirkungen haben können.
Alle Pumpen im Umkreis waren verliehen
Mein Mann versuchte eine Pumpe zu organisieren (fast alle Apotheken im Umkreis verleihen entweder nicht oder wenn dann nur eine und oft war die Pumpe dann gerade bei einer „ich muss abpumpen, weil ich abends weg muss“-Mutter verliehen, laut Aussage der Apothekerin) und ich bekam langsam Panik.
Milchpumpen gibt es auch bei überregionalen Verleihstationen – manchmal sogar per Versand. Ein Beispiel dafür ist der Onlineshop “Milchwiese“.
Dieses Gefühl abends daheim zu sitzen mit dem Gefühl, dass das eigene Kind am Verhungern ist, weil man als Mama völlig versagt, weil jetzt quasi sofort Milch ins Kind muss war einfach schlimm.
Dazu kam der Druck, dass nun definitiv mehr Milch kommen muss.
Bei jedem Besuch wurde nach der Pumpmenge gefragt.
Pumpen muss der Körper erst lernen – häufig entspricht die Pump-Menge nicht der Still-Menge. Je nach Ursache der Stillproblematik kann die Pump-Menge höher oder niedriger sein.
Bei 10ml über Stunden hatte ich schon „viel“ gepumpt.
Langsam kroch die Verzweiflung in mir hoch.
Flaschenkinder werden auch groß
Ich wollte unbedingt stillen, aber es funktionierte nicht und von allen Seiten hieß es „dann still halt ab, Flaschenkinder werden auch groß“ – ein zusätzlicher Druck.
Niemand nahm meinen Wunsch Stillen zu wollen ernst.
Online endliche hilfreiche Tipps
Schließlich las ich auf irgendeiner Facebookseite von einer Stillgruppe und meldete mich an.
Ich postete mein Problem.
Auch hier wurde die Situation als bedenklich eingestuft.
Aber ich bekam endlich hilfreiche Tipps.
Schnell wurde klar, dass unser Stillmanagement eigentlich gut war (wir kamen locker auf über 12 Mahlzeiten am Tag), auch die Windeln waren ausreichend nass.
Aber das Gewicht war ein Problem.
Eine Stillberaterin gab mir den Tipp zur Vermeidung einer Saugverwirrung und gleichzeitig zum Anregen der Milchbildung mit einem Brusternährungsset zuzufüttern.
Ich habe mir also schnell das Brusternährungsset besorgt.
Anleitung bekam ich keine, aber es ging ja zum Glück auch ohne.
Hier findest du einen Einsteiger-Guide zum Stillen mit dem Brusternährungsset, denn nicht immer funktioniert es wie von selbst.
Milchsteigerung mit Powerpumpen
Zusätzliches Powerpumpen sollte ebenfalls die Milchmenge steigern.
2 Wochen habe ich im 30min Takt gepumpt, gestillt, gepumpt, gestillt.
Tags und nachts.
Pump-Management ist für die Milchsteigerung gut, weil einfach gelegentliches Abpumpen mehr durcheinander bringt als nützt. Das Pump-Management kann an den individuellen Tagesablauf angeglichen werden.
Mehrfach täglich haben wir über das BES zugefüttert, anfangs eine relativ große Menge Pre, mit Steigerung der Milchmenge dann weniger Pre und mehr Muttermilch.
Parallel bekam ich den Hinweis, dass bei meiner Hormonstörung (PCOS) ein Problem beim Stillen auftreten kann mit zu wenig Milch.
Das polycystische Ovariensyndrom (PCOS) kann zu einer zu geringen Milchbildung führen – wenn PCOS die Ursache ist, gibt es verschiedene Möglichkeiten die Milchbildung auf ein körpereigenes Maximum zu heben – ob es zum vollstillen ausreicht, kann jedoch nicht garantiert werden.
Ich lies es überprüfen und bekam bestätigt: zu wenig Milch aufgrund zu wenig Milchdrüsengewebe.
Auch hier wieder die klare Empfehlung von allen Seiten: „Still doch einfach ab!“.
Und ich war echt sauer auf das Schicksal… weil ich schon wieder mal „hier“ geschrieben habe. Auch hier gehörte ich zu der kleinen Minderheit wo es halt nicht so klappt wie es soll.
Wir hatten durch das Stillen über das Brusternährungsset eine sichere Zunahme auf ihrer Perzentile erreicht, auch wenn wir „nur“ auf der 3% Kurve lagen.
Wir hatten uns eine Waage besorgt, um die Gewichtszunahme zu kontrollieren und so ermittelte ich anhand der Zunahme, wieviel ich zufüttern musste, um eine gute Gewichtsentwicklung zu erreichen.
Bei einer Gedeihstörung wird die Waage über einen längeren Zeitraum zum treuen Begleiter, weil sie eine geringe Zufüttermenge anzeigt, noch bevor es andere Zeichen gibt. Alle sonstigen Körpersignale kommen erst mit einer deutlich stärkeren Nahrungs- und Flüssigkeitsunterversorgung.
Nach der vierten Woche wurde mir klar, dass Vollstillen als Ziel nicht erreichbar ist.
Da Flasche und Abstillen für uns nicht in Frage kam, denn meine Tochter war ein absoluter Stilljunkie, haben wir eben einfach weiterhin mit Brusternährungsset gestillt.
Pre statt abgepumpte Muttermilch
Ich habe allerdings nicht mehr so viel gepumpt, sondern stattdessen geringe Mengen Pre (30-90ml täglich) im BES zusätzlich gegeben.
Da wir nicht jede Stillmahlzeit mit dem Brusternährungsset stillen mussten, konnte ich unterwegs und nachts normal stillen und habe das BES nur tagsüber zuhause benutzt, um die von mir fehlende Milch auszugleichen. Hebamme und Kinderärztin waren nun zufrieden und wir konnten weiter stillen.
Der Abschied vom Stillen mit dem Brusternährungsset
Bis Beikost Beginn, was bei uns effektiv ca. mit 8 Monaten war, haben wir also weiterhin mit dem BES zusätzlich gestillt.
Irgendwann war aber der Punkt erreicht, wo ich merkte, dass sie sich ihren zusätzlichen Bedarf gut aus der Beikost ziehen konnte.
Wir haben anfangs hochkalorisch Beikost angeboten und das langsam ausgeschlichen, aber mit etablierter Beikost etwa um den neunten Lebensmonat herum konnten wir das Brusternährungsset endlich weglassen.
Ende gut? Ja, aber noch nicht ganz!
Heute ist meine Tochter 2,5 Jahre alt und stillt noch immer, entgegen aller Ratschläge und Kritik. Und uns beiden geht es gut damit.
Ich konnte zwar nie wirklich voll stillen und unser Start war schwierig, aber wir haben es gemeinsam geschafft!
Vielen Dank an dieser Stelle an Martina, die uns von ihrem Baby-Gewichts-Krimi erzählt hat.
Obwohl es zu Beginn normal ist, dass Babys an Gewicht verlieren und eine Weile brauchen, bis sie es wieder erreicht haben, ist eine adäquate Zunahme ganz arg wichtig. Nur so kann eine ausreichende Nahrungsversorgung gewährleistet werden!
Um herauszufinden, ob deine Milch reicht, lies bitte hier weiter.
Solltest du in eine ähnliche Situation kommen, hol dir bitte schon viel, viel, viel, viel früher Hilfe von einem Menschen, der dich und dein Baby adäquat beraten kann UND deinen Stillwunsch ernst nimmt.
Wurde deine Stillbeziehung im Internet gerettet? Oder von einem Menschen vor Ort? Musstest du dich durchsetzen und gegen Windmühlen deine Stillprobleme lösen?
Wie war deine Stillgeschichte?
Magst du auch deine Erlebnisse am Stillbeginn mit anderen Mamas teilen? Dann schreib mir gerne eine eMail. Vielleicht liegt dein Stillbeginn auch schon weiter zurück – oder du stößt auf das Thema gerade während einer weiteren Schwangerschaft.
Nutze die Chance und lerne aus den Stillgeschichten für deine eigene, nächste Stillzeit.
Alles Liebe und bis bald,
~Tabea
PS: hier findest du weitere Stillgeschichten vollgepackt mit Tipps
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