Zum Abschluss meiner vor 4 Wochen ausgerufenen ersten Blogparade mit der Headline „Mein schmerzfreier Stillstart“, erzähle ich dir heute schonungslos offen, wie sich mein eigener Stillstart gestaltet hat und was du daraus lernen kannst.

Für dich habe ich aus der Erinnerungskiste meines mittlerweile 2,5jährigen Stillkindes das kleine Tagebuch herausgeholt, in dem die tag-genauen Aufzeichnungen hinterlegt sind. Denn tatsächlich ist manches nach so langer Zeit einigermaßen verschwommen.

Nicht allerdings die Gefühle, die sich oft viel tiefer einbrennen, als es Fakten je könnten.

Nach einer medikamentenfreien, natürlichen Geburt waren wir zu Hause angekommen, um dort unmittelbar und bewusst in ein ambulantes Wochenbett zu starten. Alles war perfekt vorbereitet. Entlastung & Versorgung – es war vorgesorgt.

Doch schon innerhalb der ersten 24 Stunden wurde das Stillen – das ich zuvor so oft in den ersten Tagen begleitet hatte – zu meinem persönlichen Horrortrip.

Natürlich hatte ich schon während der Schwangerschaft gewitzelt, dass der Stillstart bestimmt etwas „besonderes“ für mich als Fachkraft bereithalten würde – alleine um zu testen, ob all die Empfehlungen denn etwas helfen würden. Doch ganz ehrlich – damit hatte ich nicht gerechnet.

Deshalb will ich dich an meinen Gefühlen teilhaben lassen. Auch wenn deine vielleicht völlig anders sind und du danach vielleicht denkst, dass ich es kaum „drauf haben“ kann. Das ist ok – dann wirst du eine Kollegin finden, die besser zu dir passt.

Aber ich möchte auch nicht mehr damit hinterm Berg halten, dass ich einen Stillstart hingelegt hatte, in dem ich tatsächlich mehr als einmal sehr dankbar war, dass ich das Wissen hatte und es mir zur Verfügung stand.

Ohne hätte ich aufgegeben.

Es begann….

#1 Das Gefühl von Zahnschmerzen.

Schon innerhalb der ersten 24 Stunden nach der Geburt. Da lernte ich, was Schmerzen beim Stillen bedeuten können.

Bei jedem Anlegen zog sich mein ganzer Körper zusammen. Es fühlte sich an, als ob mir jemand in alle 4 Backenzahnbereiche gleichzeitig bohren würde – es fehlte nur das unsägliche Geräusch dazu.

Bitte verstehe mich nicht falsch. Rein technisch lief alles zauberhaft. Das Stillen verlief völlig verletzungsfrei. Und auch der Milchtransfer klappte völlig problemlos.

Dennoch hatte ich nach 24 Stunden so die Faxen dicke, dass ich am Ende einer Clustereinheit unser hungrig und verzweifelt weinendes Baby dem Papa in die Hände drückte, um in ein ausgekochtes Schnapsglas einige Tropfen Kolostrum per Hand zu entleeren. Einfach nur ein kleiner Schluck, den mein Baby bekommen würde, ohne saugen zu müssen.

Ich konnte einfach nicht mehr.

Doch natürlich wollte mein Baby gleich wieder Stillen. Kein Wunder.

Er hatte bei der Geburt scheinbar alles Mekonium ausgeschieden. In dem kleinen Körper war Platz ohne Ende. Er hatte HUNGER.

Gott-sei-Dank wusste ich nicht, dass ich in den nächsten 24 Stunden über vierzehn Mal stillen würde. Beide Seiten versteht sich.

#2 Das Gefühl von Enttäuschung.

Ich war einigermaßen überrascht, als ich nirgends etwas über diese Art der Schmerzen finden konnte.

Keine Lehrunterlagen – Keine Internetartikel. Keine Beschreibung passte zu dem Schmerzbild wie ich es beschreiben konnte.

Da saß ich mit meiner tollen Ausbildung und wusste nicht weiter.

Natürlich habe ich Kontakte – doch auch meine liebste Freundin & IBCLC-Kollegin tappte im Dunkeln.

Alles was wir in Betracht zogen passte weder vom Schmerzbild, noch von den Symptomen.

Es wirkte fast, als würde mein Baby beim Stillen die Kiefer so aufeinanderklemmen, dass während dem Stillen Nervenschmerzen entstehen konnten. Also setzten wir an diesem Punkt an und ich nutzte die kurzen wachen Momente meines Babys für eine spezielle Gesichtsmassage, die normalerweise bei Saugstörungen Anwendungen findet.

Zum Stillen turnten wir durch die verschiedensten Stillpositionen, um herauszufinden, in welchem Winkel das Anlegen weniger weh täte. Zwischen den Mahlzeiten umsorgte ich mich und ließ mich umsorgen.

#3 Das Gefühl von Wut.

Natürlich laß auch ich viel in meinen Büchern und bei den Kolleginnen online.

Im Strudel meiner Hormone machte mich der Satz „Stillen darf nicht weh tun“ regelmäßig so wütend, dass ich am liebsten „keine von Ihnen“ gewesen wäre.

Ja f****. Es darf nicht weh tun. Aber es tat weh. Und zwar sakrisch.

War ich etwa zu blöde mein eigenes Baby anzulegen, wo ich so vielen Frauen zuvor mit wenigen Korrekturen beim Anlegen oder einer klitzekleinen Massage vorab zum schmerzfreien Stillen verholfen hatte?

Am liebsten hätte ich in diesem Moment wohl die Welt abgefackelt.

Und es sollte damit nicht genug sein.

Aus blanker Verzweiflung griff ich schließlich nach 5 Tagen des vor-mich-hinleidens zum Stillhütchen. Ich glaubte nicht daran, dass es mir Linderung verschaffen würde. Und ich sollte Recht behalten – aber ich wollte es nicht unversucht lassen. Außerdem konnte ich so leichter im Liegen Stillen und schlafend zumindest meine Kraftreserven auffüllen.

#4 Das Gefühl von Brustschmerzen.

Mit dem Hütchen kam dessen erste Nebenwirkung. Ein Milchstau.

Ob es letztlich an dem Hütchen lag oder nicht, werde ich nie herausfinden … denn es sollte nicht der einzige Milchstau bleiben.

Nun hatte ich schon fast eine Woche im Bett verbracht und Ruhe gegeben. Das erste mal war ich etwas länger „auf“ gewesen und schwupp ereilte er mich also. Dem beginnenden Stauungsgefühl hatte ich einfach zu wenig Beachtung geschenkt. So ereilte mich das volle Programm mit Schmerzen, Fieber, Rötung und es ging zurück auf null. Behandlung mit Quarkauflagen, ausreichend Flüssigkeit zum Trinken und: Ruhe.

Nach ein paar Tagen Pause vom Milchstau, der mit Quark gut abheilt ist an Tag 10 nach der Geburt dann die andere Brustseite dran.

Wieder Fieber.

Stillen in neuen Positionen rund herum im Uhrzeigersinn. Alles was mir in den Sinn kommt, wird umgesetzt.

Zum Glück kann ich mir hier helfen.

Und: die Schmerzen an den Brustwarzen sind weiter präsent – aber irgendwie gerade nicht so wichtig.

#5 und #6 Das Gefühl von Resignation & Kraftgewinn

Manche blöden Gefühle lassen sich ja durchaus umwandeln in etwas Positives.

So fing ich an, einen persönlichen Weg mit dem Stillen zu gehen.

Ich wusste, dass ich einen Punkt erreicht hatte, an dem ich nicht völlig schmerzfrei stillen konnte, an dem ich allerdings völlig verletzungsfrei war.

Das bedeutete: es lag nicht an mir!

Eine sehr wichtige und kraftvolle Erkenntnis.

Sie war wichtig, um mich selbst wieder zu sehen und zu spüren – wahrzunehmen.

Mit jedem Milchstau merke ich früher, dass sich da „was anbahnt“ – lange bevor sich Verhärtungen oder Rötungen zeigen. Mein Körper verriet es mir.

In diesen Momenten hieß es: einen Schritt zurück treten und den Alltag einen guten Mann sein lassen. Ich lernte sehr gut auf mich zu hören und zu achten.

Alle vorbeugenden Maßnahmen, Ernährungsempfehlungen und Medikamente hatten bei mir keinen Einfluss auf die Häufigkeit der Milchstaus. Egal! Punkt.

So schöpfte ich langsam – nach und nach neuen Mut und verlor auch völlig das Gefühl kämpfen zu müssen. Die im ersten halben Jahr 2wöchig auftretenden Milchstau’s lockten mich nicht mehr aus der Reserve.

Business as usual.

Fazit über die Gefühlswelt eines schmerzhaften Stillstarts.

Im Strudel der Hormone & Gefühle mit ständig widerkehrenden Schmerzen konfrontiert zu sein, fordert dich vielleicht in besonderem Maße. Das kann ich dir sehr gut nachfühlen!

Mein eigener Stillstart hat meine persönliche Haltung mir selbst gegenüber und natürlich auch meine Arbeit stark beeinflusst.

Wenn es in der Beratung darum geht, dass starke Schmerzen – manchmal bereits über einen langen Zeitraum – das Stillen begleiten, habe ich volles Verständnis für jede Art von Reaktion. Vielleicht war es auch meine eigene Stillerfahrung, warum ich heute mit den Mamas umso gründlicher nach der Ursache der Schmerzen suche.

Das ist manchmal ganz schön anstrengend für die Mamas, weil ich oft erst in einer Situation ins Boot geholt werde, in der viele Töpfe bereits ausgeschöpft wurden. Es wurde bereits viel Kraft investiert.

Also arbeiten wir an zwei Fronten.

Einerseits versuchen wir die Schmerzen unmittelbar zu reduzieren. Mit allen Ressourcen und Möglichkeiten die zur Verfügung stehen. Aber anschließend sehen wir so lange genau hin, bis die Ursache der Schmerzen erkannt ist und damit behandelbar wird.

Tatsächlich ist es bisher so, dass ich in der Beratung noch niemals ursachenlose Schmerzen begleitet hätte.

Was ich tun werde, wenn mir eine Mama von dem gleichen Schmerzbild erzählen würde, wie ich sie erlebt habe? Ich würde einmal mehr nach den Ursachen suchen – so wie ich es in jeder anderen Beratung egal welchen Themas auch mache.

Gleichermaßen glaube ich heute einmal mehr, dass ein schmerzfreier Stillstart ohne Weiteres möglich ist. Und der hängt nicht von der „Übung“ der Brustwarzen ab, sondern von vielen Faktoren, die nach jeder Geburt und mit jedem Baby anders sein können.

Den nächsten Artikel in dieser Blogparade findest du auf dem Blog von schnuppismama, die von ihrer nächtlichen Begegnung mit einem Drachen, den magischen 10% und großen Herausforderungen erzählt, die sie letztlich haben stark werden lassen. Aber lies selbst…

Ich wünsche dir ein wunderbares durchhopsen durch die anderen Stillerfahrungen.

Und wenn du mir Gedanken zu meinem Stillstart hinterlassen magst? Oder etwas ergänzen magst? Nur zu – gerne!

Schreib einfach in den Kommentaren.

Alles Liebe und bis bald,
~Tabea

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Tabea Laue | Stillen & Babyschlaf
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  • Liebe Tabea,

    Vielen Dank für deine persönlichen und ehrlichen Erfahrungen. Sehr spannend mal aus der Perspektive und dem privaten Nähkästchen einer Fachfrau zu lesen. Ich danke Dir auch, dass Du mich eingeladen und er,utigt hast, über meine eigenen Stillerfahrungen zu berichten. Zwischenzeitlich habe ich überlegt, ob es richtig war, so persönlich zu erzählen. Nach Deinem Beitrag kann ich sagen: ja, das war es!

    Von Herzen,
    Isabel

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